Der Begriff „Hypnosystemisch“ wurde in den 80er Jahren von Dr. Gunther Schmidt eingeführt, der als systemischer Familientherapeut diese Elemente mit denen der Erickson’schen Hypnotherapie verwob (Schmidt, 2009). Gunther Schmidt hat noch bei Milton Erickson persönlich studiert. Die hypnosystemische Beratung bedient sich zu einem hohen Prozentsatz der Ericksonschen Hypnotherapie (Erickson, Rossi & Rossi, 1976).
Aus hypnosystemischer Sicht wird Erleben durch Aufmerksamkeitsfokussierung erzeugt. Aus diesem Grund wäre es bei der Auftragsklärung idealerweise für den Coaching- oder Mediationsprozess zieldienlich, von Anfang an, den Klienten dahingehend zu begleiten, den Fokus auf die Imagination der erwünschten Zielerlebens zu legen (Schmidt, 2012).
Bei der Auftragsklärung wirkt das Konflikterleben meist so unmittelbar und stark, dass die Klienten oftmals den Fokus schwer auf das gewünschte Erleben lenken können. Deshalb wird jeder der Beiträge der Konfliktbeteiligten von der begleitenden Person in einer Haltung aufgegriffen, die für anerkennenswerte Bedürfnisse steht. Einladungen des Coaching-Begleiters oder Mediators, das gewünschte Erleben zu fokussieren, werden von den Konfliktbeteiligten häufig als Ignoranz oder mangelnde Wertschätzung empfunden. Deshalb ist es von großer Wichtigkeit, besonders in der Anfangsphase des Coaching- bzw. Mediationsprozesses, die Konfliktbeteiligten in ihrem Konflikterleben entsprechend wertschätzend zu würdigen (Schmidt, 2009).
Konflikterleben aus hypnosystemischer Sicht entsteht aus der Diskrepanz zwischen der Imagination/Wahrnehmung eines unerfüllten Bedürfnisses und Wunsches (Sehnsuchtsziel) im Vergleich zum unerwünschten Ist-Zustand. Ähnlich dem Instanzenmodell nach Freud nimmt die Steuerkompetenz (nach Freud das sogenannte „Ich“) diese Diskrepanz als störend wahr und will diese Störung ausgleichen (Freud, 1923/1991). Das Sehnsuchtsziel mag nicht bewusst sein. Das Empfinden der Diskrepanz zwischen dem unerfüllten Wunsch/Bedürfnis und dem Ist-Zustand zeigt, dass die Klienten eine unbewusste Vorstellung davon haben, wann es ihnen subjektiv „gut“ geht.
Interventionen aus hypnosystemischer Sicht sind rituelle Angebote, die alltägliche, unwillkürliche Prozesse anregen, um eine gewünschte Wahrnehmung zu erzeugen. Aus der veränderten Wahrnehmung erzeugt der Klient eine Verhaltensänderung (Schmidt, 2012).
Allerdings, während der Auftragsklärung, in einer Phase starken Problemerlebens wird eine Intervention mit der Frage nach dem Zielwunsch oftmals noch nicht beantwortet werden können. Die Frage: „Wenn dieser Prozess (Coaching, Mediation) im allerbesten Sinne verlaufen würde, woran würden Sie es merken?“, würde voraussichtlich noch nicht wirklich verarbeitet werden können. Nur schwer sind die Klienten in dieser Phase bereit, sich schon einmal in einen State des Prozessergebnisses hineinzuversetzen. Es gelingt oft noch nicht, dass sie zu Beginn des Prozesses das gewünschte Erleben schon einmal in ihrer Vorstellung abbilden können. Es wäre zu erwarten, dass die Klienten sofort in ihr gewohntes Problemerleben hinein schreiten werden (Schmidt, 2009).
Typisch systemische Fragen, wie: „Was ist dein / ihr Problem?“ wirken sich hier erst recht problemfokussierend und somit problemkatalysierend aus. Sollte eine Problemfokussierung dazu führen, dass die Klienten im Mismatch-Filter-Erleben verharren, ist verstärkt empathisches Pacing, Mitgehen, eine der wirksamsten Interventionen. Diese sollten abgewechselt werden mit wertschätzender Betonung der Kompetenzen. Diese Kompetenzen zeigen sich gerade im Konflikterleben der Klienten (Schmidt, 2012).
Die hypnosystemische Sicht interpretiert unerwünschte Prozesse, die in Konflikterleben münden, als kompetente Lösungsversuche. Sie werden als eigenständige Leistung des Klienten gewürdigt. Diese Leistung verstärkt das Problemerleben/Konflikterleben: (z. B. wer Problemerleben „weg“ machen will, der fokussiert das Problem und verstärkt es. Im Coaching führt Abwehrverhalten, wie den Konfliktpartner einschüchtern, angreifen, usw. zu einer Konfliktverstärkung). Dabei ist aus hypnosystemischer Sicht weniger der Inhalt des Problemerlebens das Entscheidende, sondern die Beziehung, welche die jeweiligen Konfliktbeteiligten zum Inhalt herstellen, aus welcher dann die Konfliktbeteiligten das entsprechende Verhalten erzeugen (Schmidt, 2009).
Da die Bedeutung einer Botschaft immer beim Empfänger liegt, bestimmen die Klienten/Konfliktbeteiligten darüber, ob sie im Moment bereit sind, sich auf die entsprechenden Interventionsangebote einzulassen. Die Interventionen sind vielleicht gut gemeint, doch ob sie gut sind, bestimmt immer der Empfänger (Watzlawick, Beavin & Jackson, 1969).
Zum Schluss:
Hypnosystemische Ansätze balancieren in der Auftragsklärung zwischen empathischer Würdigung des Konflikterlebens und einer vorsichtigen Einladung zur Zielimagination. Eine vorschnelle Fokussierung auf das erwünschte Erleben wird von den Konfliktparteien meist noch nicht wahrgenommen. Der Fokus auf das Problemerleben ist meist noch zu stark, gutgemeinte (aber nicht gute) Angebote, die Zielerleben fokussieren, führt schnell zur Überforderung. Dagegen bereiten wertschätzendes Pacing und der Blick auf die Ressourcen im Problemerleben den Boden für Veränderung. Interventionen werden empatisch an die Aufnahmebereitschaft der Klient:innen angepasst (Pacing). So eröffnet sich ein Prozess, in dem Konflikte als Zugang zu Ressourcen und Entwicklungspotenzialen genutzt werden können.
Literatur:
Erickson, M. H., Rossi, E. L., & Rossi, S. I. (1976). Hypnotic realities: The induction of clinical hypnosis and forms of indirect suggestion. New York: Irvington.
Freud, S. (1923/1991). Das Ich und das Es. In Studienausgabe Bd. III. Frankfurt a.M.: Fischer.
Schmidt, G. (2009). Hypnosystemische Konzepte für Therapie, Empowering und Beratung: Kontexte, Konzepte, Vorgehensweisen. Heidelberg: Carl-Auer.
Schmidt, G. (2012). Liebesaffären zwischen Problem und Lösung: Hypnosystemisches Arbeiten in schwierigen Kontexten. Heidelberg: Carl-Auer.
Watzlawick, P., Beavin, J. H., & Jackson, D. D. (1969). Pragmatics of human communication: A study of interactional patterns, pathologies, and paradoxes. New York: Norton.