Eine Beförderung in einem Unternehmen ist meist mit Führungsverantwortung verbunden. Doch Mitarbeiter zu führen ist eine in weiten Teilen andere Aufgabe, als Experte in seinem Fachgebiet zu sein und dort Probleme zu lösen, wo man gut ist.
Wie das Eichhörnchen schnell durch die Baumwipfel flitzt, aber nicht den Überblick über die Bäume hat, so kann die Giraffe nicht schnell über die Äste huschen und die Nüsse finden, auch wenn sie durch ihren langen Hals, den Überblick hat.
Ein anschauliches Beispiel
Geben wir unserem Eichhörnchen einmal den Namen Torben. Torben ist ein „Genie“ in seinem Fach. Intuitiv und mit seinem Fachwissen kann er schnellstens Lösungen herbeizaubern. Gerade wenn es brennt, glänzt er, weil er auf Grunde seiner Erfahrung und seines großartigen Könnens Probleme lösen kann, gerade wenn es brennt.
Torben wird nun wegen seiner Leistung für eine Führungsrolle vorgeschlagen, etwas, was er sich auch schon lange gewünscht hat. Doch, kaum ist er in seiner neuen Position, fühlt er sich überfordert: Er kann nicht delegieren und wundert sich, warum seine Mitarbeiter ihn nicht wirklich respektieren und ihm „folgen“. Auch der Crashkurs „Führungsverantwortung“ hat ihn nicht weiter gebracht. Zu sehr „brennen“ ihm die Aufgaben unter den Nägeln, die, wie er meint, nur er effizient lösen kann.
Es fällt ihm schwer, den Überblick zu haben und wie ein Architekt nun die Aufgaben zu delegieren und zu strukturieren, die er einfach schnell selbst erledigt hat – meist schneller als die anderen, für die er nun Verantwortung trägt. Und das fehlt ihm, deshalb will er gar nicht delegieren. Das ist ihm aber gar nicht bewusst.
Das Problem der Beförderung
Torben ist ein typischer Fall von Beförderung, verstanden als Aufstieg in eine Führungsposition. Dabei wurde übersehen, dass sein Profil nicht die Arbeitsorganisation ist, sondern dass er eher Experte in seinem Fachgebiet ist: Probleme zu lösen, Lösungen im Microbereich zu sehen, wo keiner Lösungen sieht. Das braucht aber die Führungskraft gar nicht können.
Betriebe, die Aufstieg in erster Linie als Führungsverantwortung verstehen, stehen hier vor einer großen Herausforderung, zu unterscheiden: Beförderungswunsch, Anerkennung von Leistungen und Führungsverantwortung. Die Folge ist, dass solche Betriebe auf Dauer sich der Gefahr aussetzen, mit angezogener Handbremse zu fahren, da ihre gerade zur Führungskraft aufgestiegenen Experten oftmals nicht zusehen können, dass ihre Mitarbeiter ihre Arbeit ineffizienter machen, als sie selbst.
Nun kommt noch der Druck dazu, dass sie nun die Verantwortung für das Gesamtergebnis tragen, sie aber nun zusehen, wie die Arbeit langsamer und oftmals schlechter erledigt wird, als sie selbst tun würden. Die Verführung ist groß: Schnell selber einzugreifen und machen es selbst zu machen. Die Folge ist: Überforderung, zu hohes Arbeitspensum, langsamerer Arbeitsprozesse und im schlimmsten Fall: Burnout.
Aufstieg muss anders gedacht werden
Menschen, die Führungsverantwortung tragen müssen nicht solche Experten auf ihrem Gebiet sein, wie Torben. Zudem können sie sich von Genies, wie Torben beraten lassen. Sie müssen den Überblick haben, die Strukturen bilden, die Räume schaffen, die Arbeit, die Torben liebt, effizient bewältigen zu können. Das aber ist nicht Torbens Stärke.
Um in Coaching Sprache zu sprechen: Vor seinem Aufstieg war er mit seiner Tätigkeit in seinem Fachgebiet assoziiert, da er sie liebte, und darin effektiv ist, weil er sie gut kann. Er möchte gerne eine Belohnung für seine besonderen Leistungen und „aufsteigen“. Doch eigentlich möchte er mehr Anerkennung und nicht das Aufgabengebiet Führungsverantwortung an sich.
Menschen mit Führungsverantwortung müssen dissoziiert denken können und auch mit Abstand (also auf der Metaebene) über die zu bewältigenden Aufgaben schauen können, die geeigneten Mitarbeiter einteilen und sehen können, an welchem Platz sie die zu bewältigenden Aufgaben effektiv gestaltet werden können.
Keine dieser Arbeiten ist mehr oder weniger wert. Sie sind nur anders. Es gibt nur wenige Torbens, die das auch können.
Was könnte die Lösung sein?
Wie können Betriebe diese Zusammenhänge mehr in den Blick bekommen, um das volle Potential ihrer Belegschaft zu fördern und so organisiert sein, dass sie agil, wertschätzend und effektiv ihre standardisierten Aufgaben und unvermeidbaren Notfälle, bewältigen können?
Eine Giraffe kann eben nicht wie ein Eichhörnchen sein, ein Eichhörnchen auch nicht wie eine Giraffe und ein Adler nicht wie ein Hühnchen und ein Hühnchen kein Adler.